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Confession time

Als ich ein kleines Kind war, wollte ich kein Mädchen sein. Ich wollte keine Kleider oder Röcke tragen, ich wollte nicht mit Puppen spielen und “Mädchenkram” hat mich nie interessiert. Ich spielte mit Autos, trug Hosen und wollte nur Kleidung, die nicht weiblich war. Es gab auch ganz kurze Phasen, wo ich mich überreden ließ, daß ich einen Rock trug oder eine Babypuppe zu haben. Die Puppe hieß Björn und lag nach ein paar Tagen nur noch in der Ecke, weil ich wieder spannendere Dinge entdeckt hatte. Zum Beispiel haben wir uns grüne Deckel von Plastikfässern auf den Rücken geschnallt und Ninja Turtles gespielt. Ich hab mir nicht viel dabei gedacht, aber meine Mutter war enttäuscht, weil ich keine Röcke anziehen wollte. Meinem Vater war sowieso alles egal. Früher dachte ich manchmal, ich habe so empfunden, weil mein Bruder ein Junge war und es kam mir so vor, als würde er besser und bevorzugt behandlet werden also wollte ich auch ein Junge sein. Eines Morgens habe ich geweint, weil meine Mutter mir einfach einen Rock zum anziehen rausgelegt hatte. Ich habe geweint, weil mein Vater sich und meinem Bruder die blauen Becher hingestellt hatte und ich einen roten bekam, weil ich ein Mädchen war. Ich war wütend, weil ich beim Spielen von Das Schwarze Auge keine männliche Figur aussuchen durften. Und immer musste ich mir Dinge anhören wie: “Du bist ein Mädchen, also verhalte sich auch so.”. “Zieh mal einen Rock an.”, das war die häufigste Aussage und die, die mich am meisten genervt hat. Ich wollte keinen blöden Rock tragen. Ich wollte keine langen Haare haben und keinen Zopf machen. Manchmal habe ich mir vorgestellt, daß meine Eltern nach meiner Geburt mich einfach zu einem Mädchen operieren ließen, weil es sich so falsch anfühlte. Als ich das erste Mal im Fernsehen gesehen habe, daß es Menschen gibt, die eine Geschlechtsumwandlung gemacht haben, dachte ich nur, ich will das auch. Aber mir wurde gesagt, das es Unsinn wäre und ich soll sowas nicht denken.

Auch heute noch habe ich Probleme damit, mich als weiblich zu sehen. Wenn ich von mir rede, dann versuche sich Pronomen zu vermeiden. Zum Beispiel sage ich nicht “ich bin die einzige, die…” sondern “ich bin die einzige Person, die…”. Es fühlt ich einfach falsch an. Ich kann mich aber auch nicht wirklich als männlich sehen. Und das verwirrt mich. Was bin ich? Bin ich irgendwo zwischen männlich und weiblich? Bin ich geschlechtsneutral? Übersowas habe ich mir früher nie wirklich Gedanken gemacht und ich kannte es auch gar nicht. Es gab halt Mädchen und Jungen und eins davon musste man sein. Fertig. Am liebsten würde ich mich als geschlechtsneutral bezeichnen, aber ich bin nicht sicher, ob das nur so ist, weil ich mich nicht auf irgendwas festelegen oder kann. Und es gibt ja noch ganz andere Bezeichnungen wie genderfluid und so weiter und die ganze Angelegenheit ist so viel komplexer als ich es mir als Kind vorstellen konnte. Ich bin mir noch nicht einmal über meine sexuelle Orientierung im Klaren. Hab ich überhaupt eine? Ich sage am liebsten, ich wäre asexuell, aber bin ich das wirklich oder liegt es nur daran, daß meine Hormone durch diese ganze Schilddrüsengeschichte durcheinander geraten sind? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob das überhaupt einen Einfluß hat.

Ich weiß nur, daß ich mich nicht als Frau sehe und heulen könnte, wenn mir jemand sagt, ich soll mich weiblicher kleiden…

1 comment to Confession time

  • Sascha Biermanns

    Als ich klein war, wurde ich dazu gedrängt, mit Autos zu spielen, ich wollte aber lieber die “Big Jim Pupp” mit ihrem Camper – und Big Jimbs Freunde dazu – und später Play Big und Playmobil … Seltsamerweise bekam ich immer die mit den Polizeiautos und den Feuerwehrautos … Das waren Kompromisse, die ich einging, denn ich wollte meine Phantasie ausleben – und mit Puppen spielen, als Junge. Ich weiß, das meine Antwort auf die Lieblingsfarbe Blau sein mußte, aber wenn ich heute so gucke … Ich habe z.B. einen rosengoldfarbenen Filofax – und ein stechend lilafarbenes Notizbuch 😉 Und immer noch reagiert meine Umwelt ungehalten, wenn ich meine Haare einfach mal nur wachsen lasse, weil eigentlich möchte ich sie ja doch gerne wieder lang tragen.
    Ich habe es aufgegeben, die Erwartung anderer zu erfüllen. Mein Geschlecht? Tja, das ist so eine Sache. Meine Geschlecht ist borderfluide (so nennt man Genderfluidität bei Borderlinern, weil, Borderline ist ja klinisch gesehen daran schuld, das mein Geschlecht nicht wirklich fixiert ist). Lustig ist es, wenn ich Selbstporträt zeichne. Manchmal kommt dabei quasi mein Spiegelbildich heraus, aber ich habe auch eine ganze Reihe von Bildern, wo ich mich selber als eine Frau mit langem, rotem Haar male.
    Ich selbst fühle mich fließend, mal überwiegt das männliche, mal das weibliche, das paßt sich an die Situation an und ist mehrfach am Tag wandlungsfähig. Früher habe ich dagegen angekämpft, es versteckt, darf ja auf keinen Fall jemand merken. Allerdings erreiche ich nur selten den Moment, das ich zu 100% das eine oder das andere bin, es verteilt sich wohl mehr im 70:30 oder 60:40 Bereich … Letzten Endes ist mir das Ganze aber heute Wurst…. Das ist meine Lehre, die ich für mich gezogen habe. Die Einzigen, denen es nicht Wurst ist, sind Therapeuten, aber das ist für mich ein Wechselgrund 😉
    In der meisten Zeit meines Lebens fühle ich mich eher zu Frauen hingezogen, nur einmal war ich in einen Mann verliebt (und ich habe es ihm nie gesagt … damals war ich noch jung und dachte, mit mir stimmt was nicht).
    Asexualität ist eine Sache, die ich kenne, da ich gerne Nähe möchte, aber aufgrund von übelsten Erfahrungen es halt hasse, berührt zu werden. Ich kann ein gebender Sexualpartner sein, aber kein Nehmender. Gelernt habe ich, das andere damit nicht zurecht kommt, daher habe ich mich 2014 dazu entschieden, abstinent zu bleiben. Es sei denn … da kommt wirklich nochmal jemand, der anders ist *lacht*

    Was mir auffällt ist, das mir gewisse Assoziationen nicht von der Hand gehen. Für mich ist “jede” Kleidung geschlechtsneutral. 1991, als ich in Düsseldorf arbeitete, kam eine ca. 2m große Frau in unseren Laden, mit tiefer Stimme, Bartschatten und sucht händeringend nach einem Verkäufer, der sich mit ihr unterhalten würde. Meine Kollegen waren schneller weg, als man Piep sagen konnte, ich bin hin, es war mir egal, ich habe die Dame genauso behandelt, wie jeden anderen Kunden.
    Heute muß ich darüber schmunzeln, wenn ich daran zurück denke …

    Soviel dazu, Jo. Wie du siehst, ist das Geschlecht vielleicht nichts anderes als ein Gesellschaftsprodukt? Und es sind meistens unsere Eltern und Freunde, die uns ihre Projektion aufzwingen möchten. Es ist an uns, zu entscheiden, wer wir wirklich sind.

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